Weg aus der Wüste

Sommer Ulricksons WÜST*INNEN widmet sich der Musik wenig bekannter Komponistinnen aus vergangenen Jahrhunderten. Davon gibt’s einige, aufgeführt wurde deren Musik selten genug. Heute aber ist das doch längst anders, oder?

2019 befragten wir drei Komponistinnen nach ihrem Selbstverständnis als Künstlerinnen. Die erste, in den 60er Jahren in Rumänien aufgewachsen, erzählte von einer 50%igen Frauenquote, die Ceaușescu selbst dort eingeführt hatte. Die zweite, 1964 in Dessau geboren, meinte lapidar, dass es in ihrer Kompositionsklasse in Dresden schon mehr Frauen als Männer gab. Die dritte, in den 1990er Jahren in Ankara groß geworden, findet nichts natürlicher, als heute in Leipzig als Komponistin zu leben und arbeiten.

Wo also ist das Problem? Dieses Selbstverständnis spiegelt sich leider noch überhaupt nicht in den Spielplänen und Festivalprogrammen wider! Denn vom Komponieren leben können nur wenige. Laut KSK-Statistik verdienten Frauen 2022 halb so viel wie Männer. Weltweit stammten 2018 nur 13% der von großen Orchestern aufgeführten zeitgenössischen Werke von Frauen, hierzulande nur 5%. Auf den Opernbühnen waren es unter 10%, im Musicalbereich musste man „mit der Lupe suchen“ und bei Operetten: 0,0%! Neben dem längst vorhandenen Selbstverständnis wäre also mehr Selbstverständlichkeit das Gebot der Stunde.

Und wie steht es um andere Berufe im Musikbetrieb? Zumindest in Berlin bewegt sich etwas: Die Staatsoper bekommt eine Intendantin, die Berliner Philharmoniker haben schon eine, die Komische Oper wird genderparitätisch geleitet. Viele Kulturinstitutionen – auch die NKO – haben Geschäftsführerinnen. Das sind die nach außen leiseren, nach innen oft sehr einflussreichen Positionen. Hoffen wir also, dass sie den Künstlerinnen den Weg aus der Wüste zu mehr Selbstverständlichkeit und Sichtbarkeit bereiten.