Alternatives Musiktheater in Europa zum Thema Schönheit und Gewalt
Festival 20. bis 23. Oktober 2016
Die Oper war jahrhundertelang der erlesene Ort für die Darstellung von Mord, Liebe und Gewalt im schönen Schein von Musik und Theater. Seine Protagonisten und das Publikum kennen sich bestens aus mit der Darstellung von Gewalt, Mord und Totschlag. Keine Oper ohne schönen Tod. Nun haben Gewalt und Terror im realen Leben in beängstigender Weise zugenommen und rücken täglich näher. In der Oper wurden seit Anbeginn (man denke an Monteverdis Poppea!) Konzepte und Gründe auf die Bühne gebracht, für die man mordet: Eifersucht, politisches Kalkül, Ideologie … Diese Konzepte haben nun auch auf Plätzen, in Diskotheken, Einkaufszentren und an anderen Orten Hochkonjunktur, und natürlich ebenso im Internet. Was macht das alles mit uns? Wie könnte oder sollte sich Musiktheater verändern, um mit unserer Welterfahrung mitzuhalten?
An vier dicht gefüllten Tagen bieten wir exemplarische Inszenierungen zur Diskussion: drei Gastspiele aus Krisengebieten Europas, freie Produktionen aus Berlin, Gespräche und Begegnungen sowie eine Neuproduktion, die wir für das Festival entwickelt haben.
Die NEUKÖLLNER OPER BERLIN entwickelt – bundesweit einzigartig – ausschließlich neues MusikTheater – über 170 Ur- und Erstaufführungen seit 1977. Mit Festivals und internationalen Koproduktionen ist sie zudem Macher, Kommunikator und Marktplatz für ein alternatives Musiktheater jenseits der großen Häuser und Festivals in Europa.
KILLING DESDEMONA – Balletto Civile (I)/Jochen Arbeit (D)
(Nicht nur) in Italien eine dramatische Entwicklung: die Tötung von Frauen aus Eifersucht und anderen Motiven. KILLING DESDEMONA inszeniert Shakespeares Othello als musikalisches Theater der Körper und Denkmuster über Liebe, Treue, Schande und Ehre. Regie und Choreographie: Michela Lucenti (Brennero Crash, Pizzeria Anarchia), Live-Musik: Jochen Arbeit (Einstürzende Neubauten/Automat) Mit dt. Untertiteln. 70 Min
R+J – Sashko Brama/Timur Gogotidze (UA)
Roma und Julia stehen sich – nur durch eine Barrikade getrennt – gegenüber. Genauso wie bei Shakespeare. Jedoch nicht in Verona sondern in der Ukraine. Er, der Aktivist aus Lviv, sie, die Tochter eines russischen Separatisten aus dem Donbass. Sashko Brama, einer der wichtigsten jungen ukrainischen Regisseure, macht in diesem szenischen Rockkonzert den Kampf um den Maidanplatz zum Showdown für eine Generation, deren Heimat am Zerbrechen ist. Mit deutschen Untertiteln. 75 Min
FLIEG, MEINE SEELE (RÖPÜLJ, LELKEM) – Operette von K2, (HU)
Im ungarischen Parlament will man die Vollendung der großen „Mauer der Nationalen Einheit“ feiern, die das Land vom Rest der Welt hermetisch abschotten soll… wäre da nicht dieser Attentäter, der den Festakt zu einem Fanal verwandeln will. Das junge Theaterkollektiv K2 nutzt alle Mittel der Operette (Musik: Szabolcs Horváth, Ágoston Szabó Sipos), um der explosiven Lage in seiner Heimat mit Humor, der vielleicht wichtigsten Waffe der Kunst, zu begegnen. Mit deutschen Untertiteln. 180 Min
TOSCA G8 – Festivalneuproduktion
Ein szenischer Versuch für Theaterleute und Publikum: Wir sind mittendrin in einem Spiel auf dem Theater, im Probenalltag einer Neuinszenierung von Tosca. Eine ambitionierte junge Regisseurin sucht nach Wegen, den politischen Kern in Puccinis Meisterwerk freizulegen. Was aber geschieht, wenn die reale, echte Wirklichkeit in den Kunstraum
Theater tritt? Dabei geht es durchaus lustvoll um die Festival-Frage, ob, wie und wieviel Welt (-erfahrung) im Erlebnisraum Oper möglich ist. Regie, Fassung: Michael Höppner, Antoine Daurat. 90 Min
SALES OF A DEADMAN – Opera Lab Berlin
Nichts als ein Koffer ist dem Salesman geblieben. Genug jedoch, um noch die letzten Dinge zu Geld zu machen: Geschichten, Beziehungen, Erinnerungen werden zu Trödel. Im Solostück Sales of a Deadman, einer freien musiktheatralen Adaption des Dramas von Arthur Miller (Komposition: Evan Gardner), dreht sich alles ums Verkaufen. Noch der Tod ist Teil der erbarmungslosen Wertschöpfungskette. 70 min
HAUEN UND STECHEN: Turandot – Musiktheaterkollektiv Lwowski-Kronfoth
Die genreübergreifenden Performances des Teams um die Regisseurinnen Julia Lwowski und Franziska Kronfoth sorgen stets für Furore. Für das Festival entsteht nun ein Opern-Event um Puccinis Turandot, das Grenzen überschreitet: Stirbt man am Starksein oder am Klugsein? Der Einsatz ist hoch – Darsteller/-innen und Zuschauer/-innen stehen gleichermaßen auf dem Spiel. Details auf unserer Webseite. Ca. 60 MIn
SPECIALS
SOUNDSCAPES ImproKonzert Jochen Arbeit (EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN/AUTOMAT – guit./electronics), Munsha (voice, cello) & special guests: ein Überraschungsevent zum Festivalauftakt.
POLITIK # WIDERSTAND # MUSIKTHEATER Ein Zeitzeugengespräch mit MdB Hans-Christian Ströbele, Michael von zur Mühlen u. a. über Polizeigewalt beim G8-Gipfel 2001, über Widerstand/politische Partizipation hier und heute sowie im zeitgenössischen Musiktheater – u. a. in Halle, einer Stadt mit 20% AfD-Wählerschaft.
COME TOGETHER ARTISTS&AUDIENCE Das zentrale Backstage-Festivaltreffen: Zusammenkommen und feiern, speed-daten und networken, tanzen und verabreden: Berlin meets Italy, Ukraine and Hungary.
IN SCHÖNHEIT STERBEN – Wieviel Wirklichkeit vertragen wir auf unseren Bühnen? Impulse – Reden – Rotwein. Mit Nicola Hümpel (Nico and the Navigators), Sven Holm (Novoflot), Alexander Karschnia (andcompany) Michael Höppner (Opera Lab) u. a.