
Tanger war wie Casablanca im Film: als Freihandelszone zeitweise einer der freiesten Orte der Welt. Hier steht das legendäre Gran Teatro Cervantes, hier mischen sich sehnsuchtsvolle Coplas, spanische Schlager, mit einem Echo der Gralsmusik Wagners und marokkanischen Rufen und Klängen. Hierhin ist die deutsche Chorsängerin Eva 1935 geflohen, vor der braunen Gewalt in ihrer Heimat und in die Arme eines schönen Spaniers namens Paco.
Wie gut ihr das tut: sein Lächeln, seine Musik, die zärtlichen und temperamentvollen Worte! Von denen sie natürlich keines versteht in einer Welt, die ihr vollständig „spanisch vorkommt“. Aber dieses Licht über der Stadt und dem Meer! Und die Freiheit! Wie lange wird Eva in diesem Paradies leben? Wie lange kann ein Theater Schutzraum sein für Menschen jedweder Herkunft, wenn aus Rechtspopulismus Faschismus wird? Der Vormarsch Francos wirft seine Schatten auf die Amour fou von Eva, Paco und dessen Freund Fede. Paco versucht, sich mit Franco und der neuen Zeit zu arrangieren, während das für Eva und Fede die absolute Brandmauer bedeutet. Was wiegt am Ende stärker: Liebe oder Gewissen?
1980, vierzig Jahre später, treffen sich Eva und Paco wieder, in dem Theater, das sie damals verlassen mussten. Paco bittet Eva um eine zweite Chance. Warum kann man das Leben nicht ein zweites Mal versuchen, ohne die Fehler von früher?

Das Gran Teatro Cervantes in Tanger schrieb ab 1913 als ein spanisches Juwel im Art Deco-Stil überregionale Theater- und Operngeschichte. Als ein Haus, in dem Künstlerinnen aller Herkunft auftraten, Christen, Muslime und Juden, ein Ort, an dem sich der Kolonialismus ein Stück weit selbst aufgehoben hatte. Seit den 80ern zur Ruine verfallen, wird es gegenwärtig vom marokkanischen Staat glanzvoll wiederaufgebaut. Das Regieteam hat es während der Bauarbeiten begehen können, denn die Autoren verweben seine reale Geschichte mit der Erfindung der Lebensgeschichten von Paco, Eva, Fede und einer marokkanischen Ingenieurin. Sie schrieben sie für eben die Schauspielerinnen, die sie nun zur Uraufführung bringen.
Eine Geschichte zwischen Mentalitäten und Nationen, über das, was Brücken baut und über die Verletzlichkeit des Ortes, den wir lieben und schützen wollen, bevor es Winter wird: das Theater. Und sei es „nur“ in einem ehemaligen Ballsaal.
Nach BÉSAME MUCHO (mit Christian Camino und Malte Giesen) und HAYDAR TANZT (mit Cecilia Ligori und Alberto Favretto) schließt TANGER AMOR MÍO die Trilogie von Albert Tola und Bernhard Glocksin ab. Eine Trilogie über Schönheit, Sinn und Vergeblichkeit der Liebe.
MIT
Malika Alaoui, Christian Camino, Rodrigo García Olza, Ares Gratal und Franziska Junge
REGIE Cecilia Ligorio MUSIKALISCHE LEITUNG Malte Giesen BÜHNE/VIDEO/KOSTÜM Alberto Favretto DRAMATURGIE Bernhard Glocksin PRODUKTIONSLEITUNG / REGIEASSISTENZ Renée Stulz